Das Chaos der Andenken: Wie man die eigene Geschichte sichtbar macht
- memoriaproj
- 29. Okt.
- 3 Min. Lesezeit
Von Helene H.
Helene H. ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe Information Behavior an der Berlin School of Library and Information Science der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihre Forschungsinteressen umfassen Personal Information Management, Löschpraktiken und visuelle Information.

Das persönliche Archiv
In dem Moment, wo wir entscheiden, persönliche Gegenstände, Dokumente oder Daten – wie zum Beispiel Fotos – aufzubewahren, beginnen wir mit der Erstellung unseres persönlichen Archivs. Traditionell bestanden diese persönlichen Sammlungen grundsätzlich aus physischen Objekten und Dokumenten. Für die nachfolgenden Generationen besteht das persönliche Archiv jedoch zusätzlich aus digitalen Dokumenten, Objekten und Daten.
Zum persönlichen Archiv können heute also Gegenstände oder Andenken wie Papierfotos, Briefe oder Bücher genauso gehören wie digitale Fotos, Videos, Social-Media-Einträge oder E-Mail-Korrespondenzen. Mit den aktuellen Möglichkeiten der digitalen Datenspeicherung in der Cloud oder auf riesigen Festplatten haben viele Menschen die Gewohnheit angenommen, mehr und mehr Daten zu speichern und aufzubewahren. Beispielsweise umfassen allein die digitalen Fotosammlungen durchschnittlich mehrere Tausend Fotos.
Das macht es nicht leichter zu entscheiden, welche und wie viele Dinge aufbewahrt werden sollten. Oft identifizieren wir uns mit diesen Objekten und sie werden uns wichtig. Es ist aber auch zeitaufwendig, eine Ordnung in die persönliche Sammlung zu bringen und die Motivation aufzuwenden, diese regelmäßig auf ihren Wert und ihre Nützlichkeit hin zu überprüfen.
Die eigene Lebensgeschichte erzählen
Die Funktion des persönlichen Archivs ist nicht nur die Nutzung der Gegenstände, Dokumente, Objekte und Daten im Alltag, sondern auch das Aufzeichnen und Bewahren der eigenen Lebensgeschichte – die Dokumentation des eigenen Lebens und dessen, was uns als Person ausmacht. Vielen Menschen ist es ein Anliegen, die Lebensgeschichte, die eigenen Werte und eben die persönliche Sammlung oder zumindest Teile davon als ein Erbe weiterzugeben.
Auch hierfür muss ausgewählt werden, welche Erlebnisse und Geschichten man mit der nächsten Generation teilen möchte und wie man diese teilen möchte. Welche Teile der persönlichen Sammlung sollen weitergegeben werden? Welche Objekte oder Fotografien sind am besten geeignet, um die Lebensgeschichte zu erzählen? Was sind Dinge, die man entsorgen oder löschen kann? Was ist besonders wichtig und authentisch?
Wie wählt man aus, was wertvoll genug ist, um langfristig aufbewahrt zu werden – und in welcher Form sollte es aufbewahrt werden? Diese und viele weitere Fragen wird sich jeder von uns früher oder später stellen, sei es in Bezug auf den eigenen Nachlass oder den Nachlass von Angehörigen.
Das Sortieren, Ordnen und Auswählen der Gegenstände und Daten wird häufig als belastend empfunden. Das Erzählen einer Lebensgeschichte mit Hilfe dieser Gegenstände und Daten kann jedoch eine Erleichterung sein und einen Einstieg in die Auseinandersetzung mit dem persönlichen Archiv ermöglichen.
Das eigene Archiv erlebbar machen
Memoria bietet die Möglichkeit, mit Hilfe des persönlichen Archivs die eigene Lebensgeschichte zu erzählen. Die professionell erstellten Memoria-Portraitfilme integrieren ausgewähltes Material aus dem persönlichen Archiv mit aktuellem dokumentarischem Material und einem Interview.
Um die gesamte Sammlung verfügbar zu machen, werden analoge Teile des persönlichen Archivs zusammengeführt, digitalisiert, analysiert und geordnet. Ein Portraitfilm ermöglicht ein Zusammenspiel von Bild, Ton und Erzählung und bietet die Möglichkeit, nicht nur zu hören, was eine Person erzählt, sondern auch wie sie ihre Geschichte erzählt.
Durch die Erzählung und Strukturierung innerhalb des Films erhalten Materialien aus dem Archiv – ebenso wie beschriebene und abgebildete Objekte, Gegenstände, Situationen und Menschen – einen Kontext. In einem Portraitfilm können insbesondere Fotografien aus dem persönlichen Archiv die erzählte Lebensgeschichte bildlich untermalen.
Gleichzeitig bietet die Gesamtstruktur der Erzählung unter Umständen erst den Rahmen, den Wert und die Bedeutung der Fotografien zum Ausdruck zu bringen. Ein solcher Film kann einen kreativen und relativ niedrigschwelligen Einstieg in die Arbeit mit dem eigenen Archiv darstellen – oder eine Grundlage bilden, sich einem Menschen und seiner Sammlung zu nähern, um ihn oder sie in Erinnerung zu behalten.

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